Ich verteidige eine inhaftierte Mandantin als Pflichtverteidiger in einer Betäubungsmittelsache. Es geht um Einfuhr in nicht geringer Menge in vielen Fällen. Die Mindeststrafe beträgt dafür 2 Jahre pro Fall. Ich vertrete die Mandantin seit einigen Monaten, sie hat sich bereits umfangreich eingelassen und Aufklärungshilfe geleistet. Die Weichen für eine möglichst milde Bestrafung sind gestellt. Aus diesem Grund wurde auch nur ein Hauptverhandlungstag angesetzt.
Vor ein paar Tagen rief mich ein mir unbekannter Kollege an und erklärte mir, der Ehemann meiner Mandantin säße gerade bei ihm und habe ihn mit der Verteidigung meiner Mandantin beauftragt. Sie würden gerade über das Honorar verhandeln. Ob ich ihm nicht mal schnell sagen könne, um was es gehe und wie umfangreich die Sache sei, da ja demnächst schon der Termin anstehe.
Ich habe den Kollegen dann höflich auf meine Schweigepflicht hingewiesen. Er hatte nach eigener Aussage noch keinen Kontakt zu meiner Mandantin, keine Vollmacht, kein Schreiben von ihr mit der Bitte um Besuch etc. Der Kollege hat es nicht verstanden, wieso ich ihm nicht „unter Kollegen“ etwas erzählen könne.
Seitdem habe ich nichts mehr gehört. Heute spricht mich auf dem Gerichtsflur der Vorsitzende der BtM-Kammer des Landgerichts an und erzählt mir, dass sich besagter Kollege mit Vollmacht der Mandantin bestellt und Akteneinsicht beantragt habe. Gestern. Außerdem habe er telefonisch beim Vorsitzenden meine „Abladung zum Hauptverhandlungstermin“ verlangt. Der Termin ist morgen. Der Vorsitzende hat mich gebeten, trotzdem zum Termin zu kommen, auch wenn mich der Kollege informieren sollte, dass ich nicht zu kommen bräuchte. Er sehe momentan keine Veranlassung, mich zu entpflichten, zumal sich der Kollege kaum habe in die Sache einarbeiten können.
Alleine durch des Verlangen des Kollegen, mich abzuladen, zeig sich die große Kompetenz des Kollegen in Strafsachen, der Fachanwalt für Sozialrecht ist und auf seiner Homepage auch noch diverse Rechtsgebiete, aber kein Strafrecht, benennt.
Das haben Sie sehr zurückhaltend formuliert. Für mich ist das besonders dreistes Abwerben von Mandanten.
Hat der Kollege denn schon Streitwertfestsetzung beantragt?
😉
Fast;-) Ich habe ihm – gerade eben vor der Verhandlung – erklärt, was er beantragen muss, damit ich entpflichtet werde. Denn ich hatte keine Lust, mir den ganzen Tag um die Ohren zu schlagen, mit einer Mandantin, die lieber von einem Fachanwalt für Sozialrecht verteidigt wird. Ein wenig hat mir die Mandantin schon leid getan, denn der Kollege wusste quasi nicht um was es überhaupt ging. Aber des Menschen Wille ist sein Königreich…;-) Ich hoffe nur, er vermasselt meine Vorarbeit nicht allzu sehr…